20.Jh. - Hildesheim und Russland

Ein Tod in Russland - Rudolf Meier

Rudolf Meier war einer der Söhne von Heinrich Meier und Lina Haubenreisser. Er war verlobt mit einer hübschen Krankenschwester und war wie sein Vater und sein älterer Bruder Schneider von Beruf.

 

Rudolf war um die 20, als er eingezogen wurde und nach Polen und Frankreich geschickt wurde. Aus Russland kam er dann schließlich nicht mehr nach Haus - 1941 fand er den Tod in Weißrussland.

Im Gartenhaus meiner Großeltern hing immer ein Foto von Rudolf. Dort trug er einen Helm und sah so jung aus, dass ich schon als Kind nicht ganz verstehen wollte, warum er - der jüngere Bruder meines Großvaters - tot sein sollte. Wegen dieses Bildes, und weil Rudolfs Name in der Familie weitergeben wurde, interessierte mich sein Schicksal schon immer auf besondere Weise.

Ergebnis der Suche nach Rudolf Meier beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Der Volksbund leistet wichtige Arbeit für die Erinnerungskultur und für die Ahnenforschung.

Das Sterbedatum, der 07. Juli 19´41, lässt vermuten, dass Rudolf im Rahmen der Düna-Überquerung der deutschen Truppen starb.

Versuch einer Rekonstruktion

 

In einem alten Familienalbum fand sich eine handgezeichnete Karte sowie einige winzige Fotos - neben den knappen Informationen von Kriegsgräberfürsorge und WASt (s.u.) sind das die einzigen Hinweise, wo Rudolf Meier starb. Da seine Überreste nie nach Deutschland überführt wurden, habe ich mich einmal in den Weiten des www auf die Suche gemacht.

Seite aus dem Familienfotoalbum

Suche des Ortes "Ulla" bei Google Maps: Ула (55°14'01.3"N 29°14'25.6"E)

In der handgezeichneten Karte sind zwei Kirchen markiert; im Album finden sich zugehörige winzige Fotos.

Der gefundene Ort hat noch heute zwei Kirchen. Bei "Kirche 1" (links) handelt es sich offenbar um die katholische Kirche der heiligen Dreifaltigkeit (Костёл Святой Троицы). Ein Abgleich mit historischen und aktuellen Bildern lässt verschiedene Umbauten erkennen. Die Identifikation ist hier recht eindeutig:

(li.: Bilder aus dem Familienalbum; re.: Kirche der hlg. Dreifaltigkeit, 18.Jh, 19.Jh, heute)

Bei "Kirche 2" ist das nicht so einfach. Die zweite Kirche im heutigen Ulla ist die orthodoxe Kirche der heiligen Dreifaltigkeit (Церковь Святой Троицы). Ob es sich dabei um "Kirche 2" handelt, möchte ich nicht abschließend beurteilen. Die Ähnlichkeit ist nicht gerade frappierend, das könnte aber auch an Umbauten oder am Bildwinkel liegen:

(li.: das Bild aus dem Familienalbum; re.: orthodox. Kirche d.hlg. Dreifaltigkeit heute)

Rudis genaue Todesumstände bleiben bis auf weiteres im Dunkeln. Eine Anfrage bei der WASt (Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten  Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht) ergab leider nur sehr wenig: "Träger der Erkennungsmarke -88- 4. / I. R. 59 (Einheit 4. Maschinen-Gewehr-Kompanie Infanterie-Regiment 59). Grablage: Halbinsel Ulla-Mündung an der Düna. Keine Angaben zum heutigen Zustand und Lage der Grabstelle."

 

Trotz oder gerade wegen der noch vorhandenen weißen Flecken in der Geschichte ist diese Seite aus dem Fotoalbum geeignet, die Fantasie anzuregen. Wie lief das damals ab? Kam ein Kamerad, der Zeuge des Todes war, zu Familie Meier nach haus und berichtete? Hatte er die Karte noch vor Ort angefertigt oder zeichnete Rudolfs Vater vielleicht anhand der Beschreibung - womöglich noch mit zittrigen Händen - den Ort, wo sein Sohn ums Leben kam? Die Karte war jedenfalls der Familie wichtig genug, dass sie sogar in den Bombennächten Hildesheims sicher bewahrt wurde. Es war alles, was ihnen von ihrem Sohn geblieben war. Rudolf Meier wurde 22 Jahre alt.

 

 

Der ältere Sohn der Meiers hatte mehr Glück. Er musste zwar ebenfalls in den Krieg nach Russland, kam durch besondere Umstände aber "nur" in US-amerikanische Gefangenschaft (Lager Tittling bei Passau), und konnte seine Haut so retten. Das war mein Großvater.