19./20.Jh. - Hildesheim & Weißenfels

Familie Wilhelm Haubenreißer und                  Johanne Kalbreyer

Friedrich Wilhelm Haubenreißer (auch: Haubenreisser), 1866-1944, kam ursprünglich aus Steckelberg / Hohenmölsen, Kreis Weißenfels, und war Schneidermeister. Aus welchen Gründen er aus dem Burgenland nach Hildesheim kam, ist noch unklar. Jedenfalls wurde er dort Ende des 19. Jahrhunderts ansässig. Er war Inhaber einer Herren- und Damenschneiderei - erst in der Judenstraße, später in der Osterstraße.

Wilhelm Haubenreißers Schneiderei, vermutlich Judenstraße (um 1900).

Seite aus dem Adressbuch Hildesheim (1927)

 

Eine Zeit lang wohnte Wilhelm am Neustädter Markt. Dort hatte er eine Nachbarin, die es ihm angetan hatte: Johanne Adele Kalbreyer, Hildesheimerin, und mit einem charaktervollen Gesicht ausgestattet. Auf den Bildern, die wir von ihr haben, kann man Johanne meist auf den ersten Blick erkennen. Das dunkle Haar, der intensive Blick und der kräftige Kiefer erwecken den Eindruck einer starken Persönlichkeit.

Laut Familienüberlieferung war Johanne, 1865-1949, Tochter eines Fuhrherrn aus Neustadt (eines der drölfzig Neustadts in den deutschsprachigen Landen). Die alten Meldekarten des hildesheimer Stadtarchives brachten aber ans Licht: Johannes Vater hieß tatsächlich August, war Maler (später: Dienstmann) und kam aus Hildesheim. Es gab allerdings auch mindestens einen Fuhrherrn Kalbreyer in Hildesheim in dieser Zeit - ob das womöglich Johannes Opa oder vielleicht Onkel war, kann erst weitere Forschung herausbringen.

 

Johanne und Wilhelm verliebten sich, heirateten und bekamen zwei Töchter. Obwohl... um ehrlich zu sein, war die Reihenfolge etwas anders: Im April 1891 wurde Töchterchen Lisette Lina unehelich geboren. Diesen hübschen Namen erhielt sie allerdings nicht sofort, denn offenbar hatte Johanne noch keinen ausgesucht. Im Geburtseintrag steht also nur "ein Kind weiblichen Geschlechts, welches noch keinen Vornamen erhalten habe".  Erst rund vier Wochen später meldete Johanne dann dem Standesamt, dass das Kind Lisette Lina heißen solle. Es dauerte ein ganzes halbes Jahr, bis schließlich Wilhelm "die Sache offiziell machte" und Johanne ehelichte. Im November 1891 heirateten die beiden und die kleine Lina wurde den Makel der unehelichen Geburt los.

 

1895 bekamen sie eine zweite Tochter: Lina Auguste Margarethe, welche später zusammen mit einem Herrn Kramer ein halbes Dutzend Söhne zeugen sollte.

Margarethe "Grete" und Lina Haubenreißer, ca. 1912


Ausflug ins Grüne: Wilhelm Haubenreißer (vierter von rechts, stehend mit Hut) mit Tochter Lina (links daneben im hellen Kleid) und Frau Johanne Kalbreyer (links daneben, in weiß/hell).

Lina Haubenreißer war meine Urgroßmutter. Sie sollte später einen großen ruhigen Mann aus dem Norden heiraten: Heinrich Meier. Der gemeinsame Sohn übernahm später Wilhelm Haubenreißers Schneiderei in der Osterstraße Ecke Wallstraße. Das Haus, das im zweiten Weltkrieg vollständig zerstört und danach leicht verändert wieder aufgebaut wurde, war beinahe 100 Jahre im Familienbesitz, bevor Wilhelm Haubenreißers Urenkel es 2014 verkaufte.